"Man sollte wissen, dass die Teezeremonie nichts weiter ist, als Wasser kochen, Tee aufgießen und trinken", sagte Sen no Rikyû.
Dies heißt nichts anderes, als dass die wohl abfolgende, jedoch regellose Handlung des Wasserbereitens und Teetrinkens doch bestimmten Regeln unterworfen ist und dadurch die Normierung des alltäglichen Lebens mit ästhetischen Mitteln gelingt. Die Regeln der Teezeremonie sind daher äußerst rational begründet. Ihnen liegt ein Muster zu Grunde das bestimmte, dem alltäglichen Leben entnommene Abläufe entspricht.
Eine wirklich treffende Definition bietet Okakura Tenshin in seinem Buch über den Tee: "Die Teezeremonie ist ein bestimmtes Ritual, das auf der Verehrung der Schönheit, die den profanen Handlungen des alltäglichen Lebens innewohnt." Ich nenne es Lebenskunst, das heißt Kunst im Leben und aus dem Leben.
Die Teezeremonie ist in besonderem Grade Ausdruck japanischen ästhetischen Bewusstseins, sie ist künstlerisches Handeln. Zum Rituellen der Teezeremonie gehört zum Beispiel der Nijiriguchi genannte Eingang zum Teeraum. Im alltäglichen Leben bleibt er ungenutzt. Er entstand als ritueller Zugang für die Teezeremonie in stiller Einkehr, um die äußere Welt, deren Alltäglichkeit und Unwägbarkeiten auszuschließen, die erfundene Kunstwelt des Teeraumes davon abzusondern. Auch die extreme Beengtheit des Teeraumes mit seiner Fläche von 1½, 2 oder 3 Tatami-Matten bedeutet nichts anderes als eine Abweisung des Alltäglichen. Rikyû sagte: "Es ist gut, den Tee mit unbeschwerter Seele zu trinken." Gerade damit forderte er die Negation der Alltäglichkeit.
Kunst war im eigentlichen erfindendes Handeln, Schöpfen aus der Leere, das Suchen nach Wahrheit und Wirklichkeit im Gestalten aus der Leere. Das Leben, seine Alltäglichkeit - und die Kunst, ihr Gestalten aus der Leere, diese zwei gegensätzlichen Elemente existieren zugleich. Genauer gesagt, es sind widersprüchliche Elemente.
Die Teezeremonie ist diejenige Kunstform, die aus der Einheit dieser widersprüchlichen Elemente hervorgeht und durch sie existieren kann. Sie bietet in einer bestimmten Weise seelische Befriedigung. Diese erwächst sicher nicht aus dem alltäglichen Leben, sondern ist eine Befriedigung der Sinne, die aus dem Element der Kunsthaftigkeit gewonnen wird. In dieser Hinsicht war die Gemütslage der Menschen des sechszehnten Jahrhunderts aus Kyoto und Sakai (Osaka), die in der Stadt einen Ort stiller Einkehr suchten, sicher nicht anders. Darüber hinaus war die dem Tee eigene medizinische Wirkung zu allen Zeiten gegeben. Die heutige Lebenswelt ist allerdings nicht so beschaffen, wie die damalige.
Die Teezeremonie ist, wie eingangs gesagt, Normierung und Verwandlung des Alltäglichen in eine künstlerische Handlung. Sollte man da nicht annehmen, dass gerade heute, in unserem Alltag die Teezeremonie, die eine den Alltag negierende, den leeren Raum bildende Kunstwelt ist, der geeignete Ort für das Wiedererwachen menschlichen Wesens sei? Ich denke, dass in diesem Sinne reale Bedingungen gegeben sind für eine Neubetrachtung der Teezeremonie als Lebenskunst oder Kunstleben. Wahrscheinlich wird dieser Sinn der Teezeremonie an Bedeutung gewinnen, je mehr wir als Menschen "modernisiert" werden.
Neujahrstag 1996
Prof. Suikou Shimon
Saga Kunstakademie - Deutschland